Das Recht des Kindes auf eine Erziehung ohne Gewalt
Gewalt ist als Erziehungsmittel in der Schweiz immer noch verbreitet. In ihrem 2019 veröffentlichten Positionspapier geht die EKKJ basierend auf Studien auf die Situation in der Schweiz ein, zeigt den Handlungsbedarf auf und formuliert Forderungen.
Das Recht von Kindern, auf Schutz vor jeglicher Form von Gewalt in der Erziehung, sei diese körperlicher oder psychischer Art, in Form von Misshandlungen oder Vernachlässigung, ist im Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes verankert, dem auch die Schweiz beigetreten ist. Über elterliche Gewalt in der Erziehung wird in Fachkreisen und in der Politik seit Jahren rege diskutiert. Dass das Thema heikel ist, erstaunt wenig, da es den familiären Bereich betrifft, in den der Staat nur sehr zurückhaltend eingreift. Gleichzeitig ist das Thema für die öffentliche Gesundheit von zentraler Bedeutung. Weniger verständlich ist hingegen, dass bisher nur langsame Fortschritte in Richtung einer gewaltlosen Erziehung erreicht wurden, und dass in breiten Kreisen weiterhin die Überzeugung herrscht, es bestehe kein Handlungsbedarf.
Das EKKJ-Positionspapier stützt sich auf Studien
Das im 2019 verfasste Positionspapier der EKKJ stützt sich insbesondere auf solide Studien, mit denen das Vorkommen von Gewalt in der Erziehung beziffert und die verschiedenen Gewaltformen beschrieben werden konnten. Die Resultate zeigen klar, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Diese Untersuchungen ergänzen die bisher verfügbaren Statistiken der Kinderspitäler und die Zahlen, die sich auf Erhebungen über eingeleitete straf- und zivilrechtliche Verfahren stützen. Gewalt in der Erziehung ist nach wie vor verbreitet, gehört immer noch zum Alltag zahlreicher Familien in der Schweiz und nimmt sowohl körperliche als auch psychische Formen an. Was Gewalt in der Erziehung ist, wird von den Eltern sehr unterschiedlich definiert. Entsprechend unterschiedlich werden auch die Folgen von Gewalt wahrgenommen. Weiter lässt sich feststellen, dass viele der betroffenen Kinder und Eltern keine Unterstützung erhalten, entweder, weil die zur Verfügung stehenden Angebote zu wenig bekannt sind oder schlecht zugänglich sind, oder weil deren Verfügbarkeit je nach Kanton sehr unterschiedlich ist.
Eine Erziehung ohne Gewalt muss zur Norm werden
Für die Mehrheit der Eltern scheint klar, dass Formen von schwerer Gewalt an ihrem Kind verboten sind. Bei weniger ausgeprägten Formen von Misshandlungen ist dies hingegen nicht der Fall. Die EKKJ stellt diesbezüglich fest, dass in der Rechtsprechung Überreste des Begriffs des «Züchtigungsrechts» weiterbestehen. Obschon dieser 1978 aus dem Zivilgesetzbuch gestrichen wurde, bezieht sich das Bundesgericht weiterhin darauf, insbesondere wenn es um Fälle geht, in denen Artikel 219 des Strafgesetzbuchs (Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht) zur Anwendung kommt. Das Bundesgericht unterhält in seiner Rechtsprechung damit eine Unschärfe in Bezug auf die gemäss Strafgesetzbuch verbotenen Erziehungsmethoden und gibt zu verstehen, dass Züchtigung innerhalb unklar definierter Grenzen weiterhin zulässig ist.
Empfehlungen der EKKJ
- Gesetzesänderung: Ergänzung des ZGB mit einer Bestimmung, die das Recht des Kindes auf eine gewaltfreie Erziehung formell verankert
- Prävention: Information der Eltern über die verschiedenen Formen von Gewalt in der Erziehung sowie über die alltäglichen Situationen, die dazu führen können, und die Folgen von Gewalt auf die gesunde Entwicklung des Kindes; Information über alternative Handlungsweisen und über Hilfsangebote; Information der Kinder über ihr Recht auf eine Erziehung ohne Gewalt; besonderes Augenmerk auf Kleinkinder, die statistisch gesehen die grösste Risikogruppe darstellen
- Schulung der Fachpersonen im Bereich Kinder und Familie, um Fälle von Gewalt und Situationen, die dazu führen können, frühzeitig zu erkennen
- Beratungs- und Hilfsangebote: Bedürfnisanalyse und koordinierte Bereitstellung von Beratungs- und Hilfeleistungen für Eltern und Kinder sowie Verbesserung des Zugangs zu diesen, insbesondere über eine bessere Information
- Monitoringmassnahmen: Einrichtung von Instrumenten und Verfahren zur Datenerhebung, um ein statistisches Monitoring der Fälle von Kindeswohlgefährdung zu ermöglichen
- Vollständige Umsetzung des Übereinkommens über die Rechte des Kindes: rasche Umsetzung der vom Bundesrat in seinem Bericht vom 19. Dezember 2018 vorgeschlagenen Massnahmen.
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